Eine aufschlussreiche Reise

Die Blog-Pause war nun ziemlich lange, aber ich habe sie sinnvoll verbracht – und zwar in Ägypten. Für das Tauchreise-Magazin „Silent World“ war ich im Süden an der Küste unterwegs um Tauchbasen mit den schönsten Hausriffen am Roten Meer zu erkunden. Nicht nur aus journalistischer Sicht war die Reise ein voller Erfolg. Vor allem habe ich eine einige Menschen kennen gelernt, die mir zum Teil noch einmal ganz neue und wertvolle Einblicke in die derzeitige Situation in Ägypten verschafften.

Die Fahrt in den Süden offenbarte mir etwas ganz Erstaunliches: Mit jedem Kilometer schien die Revolution weiter weg. Doch nicht nur das. Offensichtlich sind die Hotels auch voller, je weiter es nach Süden geht. im Medinat Coraya schließlich, einem Verbund von fünf Hotels um die Bucht von Coraya, schien es praktisch keine Probleme in Sache Tourismus zu geben. Hans Heinz Dilthey, Besitzer der örtlichen Tauchbasis Coraya Divers, hat dafür eine verblüffende Erklärung parat: „Es ist die Nähe zum Flughafen“, tatsächlich ist der Flughafen Marsa Alam keine zehn Autominuten von der Bucht entfernt.

Der Süden hält manche Überraschung bereit: Nein, das ist kein Fort der Fremdenlegion sondern das Utopia-Hotel

Hans Heinz nahm mich auch mit nach Port Gahlib, das einst als südliches Gegenstück zu El Gouna geplant war. Während das Original im Norden vom ägyptischen Unternehmer Samih Sawiris gebaut wurde, hatte es im Süden der Kuwaiti Nasser al-Kharafi versucht, der sich gleich noch den benachbarten Flughafen leistete. Doch während El Gouna auch in den schlimmsten Krisenzeiten stets gut gebucht war, gleicht das feine Port Ghalib einer Geisterstadt. Etwa die Hälfte der Shops an der Marina sind leer. Die einizigen Menschen sind sichlich gelangweilte Shopverkäufer, die nicht einmal halbherzige Versuche unternahmen, uns ihn ihre Läden zu locken. Für Ägypten ein eher untypisches Verhalten.

Es gibt eine handvoll Kneipen, die sich zu einer etwas merkwürdigen Aktion zusammengeschlossen haben, vermutlich um den kuwaitischen Investor oder vielleicht die künftigen Machthaber zu beeindrucken. Sie schenken alle keinen Alkohol aus. Mit durchschlagendem Erfolg. Die Etablisements sind einfach mal leer. Die einzige Bar, die noch Alkohol ausschenkt verlangt für das Bier 40 ägyptische Pfund, das sind umgerechnet 5,32 Euro. Selbst, wenn jetzt einmal in der Woche die großen Safarischiffe von der Südtour zurück kommen, macht diese Kneipe kein großes Geschäft mit durstigen Tauchern. Die verbringen der letzten Tag dann lieber an Bord.

Jetzt mal ohne jegliche Schadenfreude: Mir gefällt das ziemlich gut, denn Port Ghalib zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie ein Tourismus in Ägypten funktionieren würde, wenn er nach den Vorstellungen der Salafisten gestaltet würde. Die hätten allerdings am 6. November 2009 allerdings zu verhindern gewußt, dass Beyoncé während ihrer „I am“ Tour das einzige Konzert auf afrikanischem Boden ausgerechnet in Port Ghalib gab.

Der Aufreger schlechthin war während meines Aufenthaltes die Entlassung des Feldmarschall Tantawi durch Präsident Mohamed Mursi. Im ersten Moment schien mir das etwa so logisch, wie wenn Horst Seehofer kurzerhand Angela Merkel entlassen hätte, sie als Beraterin wieder einstellen und mit dem Bundesverdinstkreuz am Bande mit Pauken,Trompeten und Brustring auszeichnen würde. In diesem Moment haben fast 85 Millionen Ägypter die Augen fest zu gemacht und sich die Ohren zugehalten. Und passiert ist … nichts. Kein Militäroutsch, kein Bürgerkrieg – nur himmlische Ruhe. Und als die ersten sich wagten, langsam die Augen wieder zu öffnen, haben sie Mursi alle heftig beklatscht. Selbst Liberale und Säkulare fanden es zunächst toll. Allerdings wäre Ägypten nicht Ägypten, wenn sich das nicht ganz schnell wieder gedreht hätte. Wer so eine Macht ausübt, kann sie ja auch dazu nutzen, um sie für die Moslembrüder zu zementieren. In diesem Sinne gibt es am Freitag wieder einmal eine Großdemonstration auf dem Tahrir, wo gegen die Machtfülle der Moslembrüder demonstriert werden soll. Irgend ein komischer Imam hat dann dazu aufgerufen, jeden, der gegen die Brüder demonstriert, kurzerhand abzuknallen. Zwei Tage später behauptete jener Imam, so etwas nie gesagt zu haben…

Ich bin sehr gespannt auf Freitag. Und da bin ich nicht der einzige. Eine knappe Woche nach Ende des Ramadans könnte es vielleicht sein, dass einige einfach nur ihre Aggressionen abbauen wollen. Ob es friedlich bleibt? Ich hoffe es, aber ich befürchte, nein. Das mag wohl daran liegen, dass sich auch die Versorgungslage – bedingt auch durch die heißen Sommertage – inzwischen wieder verschlechtert hat. Die Schlangen an den Zapfsäulen sind nach wie vor elend lang. Brauch- und Trinkwasser werden schon mal knapp und in Hurghada wünscht man sich inzwischen  nicht mehr einen „Guten Morgen“ sondern „Starken Strom“.

Fast drei Wochen war ich jetzt wieder in Ägypten. Trotz all der Probleme, die das Land hat, es lohnt sich noch immer dort Urlaub zu machen. Es war schön wie eh und je.

Der Tod des Patriarchen

Der Papst ist tot – nicht der in Rom, sondern der Patriarch von Alexandrien, Schenuda III. 88 Jahre alt ist er geworden. Er ist damit vier Jahre älter als sein katholischer Kollege, dem er in seiner konservativen Einstellung in nichts nachstand. Ja, im Gegenteil. Mir sagte mal ein Ägypter, dass Benedikt XVI. im Vergleich zu Schenuda ein progressiver Eiferer sei.

Schenuda III. Foto: Chuck Kennedy

Durch Schenudas Tod richtet sich der Blick nun verstärkt auf die Kopten in Ägypten, die immerhin rund zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung ausmachen. Und diese Minderheit ist sicher eine genauere Betrachtung Wert. Bei den Kopten handelt es sich um eine durchaus sehr selbstbewußte Gruppe innerhalb der Bevölkerung – was immer wieder zu Spannungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Moslems führt.

Die Kopten begreifen sich als Ureinwohner Ägyptens, deren Wurzeln bis in die Zeit der Pharaonen zurückreichen. Den christlichen Glauben hatte ihnen der Evangelist Markus gebracht, der erste Bischof von Alexandria. So sagen die Kopten auch von sich, sie seien die älteste christliche Kirche. Älter noch als die römisch-katholische. Erst 500 Jahre später eroberten die Araber Ägypten, und mit ihnen kam der Islam. Für manchen Kopten sind 90 Prozent der Bevölkerung nichts anderes als Eroberer. Mischehen zwischen Kopten und Moslems sind bei den Christen ebenso verpönt und verboten, wie bei ihren islamischen Mitbürgern. Gerade an diesem Punkt entzünden sich immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen.

In der fast 30 Jahren Regierungszeit unter Hosni Mubarak hat es vergleichsweise wenig blutige Auseinandersetzungen gegeben. Die häuften sich während der Revolution. Allerdings sind viele dieser zum Teil verheerenden Zusammenstöße auf Schergen des alten Systems zurückzuführen, die alles, aber auch alles dafür tun, das Land zu destabilisieren. Auf der anderen Seite haben Moslems während er Revolution die Kopten bei ihrer Sonntagsmesse auf den Tahrir beschützt, so wie es die Kopten während es Freitagsgebets auf dem Platz der Befreiung taten.

Der verstorbene Papst Schenuda hatte an seine Glaubensbrüder appelliert, sich nicht an den Demonstrationen zu beteiligen. Er stützte länger als andere den gescheiterten Diktator Mubarak. Allerdings hatten sich ja auch die Moslembrüder lange vornehm zurückgehalten. Schenuda hingegen hatte durchaus einen Grund, Mubarak etwas länger zu stützen. Zum einen fürchtete er eine islamistische Regierung, die Mubarak nachfolgen könnte, zum anderen erinnerte er sich natürlich noch an die Zeit unter Gamal Abdel Nasser, als Kopten drangsaliert wurden.

Die Schikanen des Präsidenten Nasser hatten allerdings nichts mit der Religion, sondern vielmehr mit der „Klasse“ zu tun. Kopten sind im Vergleich zu Moslems im Durchschnitt besser gebildet und wohlhabender. Die reichste ägyptische Familie ist eine koptische. Der Bauunternehmer Onsi Sawiris wurde in der 50er Jahren von Nasser im Zuge des „arabischen Sozialismus“ enteignet, kehrte 1972 aus dem Exil nach Ägypten zurück und machte dann ein Milliardenvermögen.

Sein Sohn Naguib ist heute eine der einflussreichen Personen in der ägyptischen Politik – und immer wieder Zielscheibe islamistischer Kritiker, wobei er selbst durchaus auch austeilen kann, wie eine von ihm verbreitete Karikatur von Disneyfiguren in islamistischer Aufmachung beweist. Er handelte sich damit eine Fatwa und ein Gerichtsverfahren ein, bei dem er aber freigesprochen wurde.

Naguibs Bruder Samih zeigt in der von ihm erbauten Stadt El Gouna, wie es gehen sollte. Da steht die Kirche neben der Moschee, und er achtet auf ein gedeihliches Miteinander. Trotzdem ist auch er voller Skepsis, was die Zukunft betrifft. Als die Führung der Moslembrüder zum ersten Mal offiziell das koptische Neujahrsfest besuchte, bewertete er das als „Show“. Ein wenig sarkastisch fügte er hinzu: „Aber rausschmeißen können sie uns nicht. Wir sind hier die Ureinwohner.“

Einsichten

Heute hatte ich ein Interview, auf das ich sehr lange gehofft habe: Mit Samih Sawiris, Sohn eines der größten Bauunternehmer des Landes, Absolvent der TU in Berlin und Gründer von El Gouna. Ich halte ihn für die logische Fortsetzung und vor allem Weiterentwicklung des von mir hoch geschätzten Mohammady Hwaidak, eine Einschätzung im Übrigen, bei der mir Samih Sawiris heftig widersprochen hat. Trotzdem bleibe ich dabei. Als Mohammady Hwaidak in der 80er Jahren begann, Hurghada zu einer riesigen Fremdenverkehrsmetropole zu entwickeln, holte er sich ganz bewusst die eigene Konkurrenz in den Ort, mit der Begründung, es sei wichtig, das Geld im Lande zu halten und nicht ins Ausland abfließen zu lassen. Zwar wuchs der Ort explosionsartig, aber Mohammady verlor sehr schnell die Kontrolle über die Entwicklung der Stadt. Samih dagegen behielt in El Gouna die ganze Kontrolle. Seine Motivation ging einen entscheidenden Schritt weiter. Er wollte nicht einfach nur das Geld im Land halten und nebenbei für Arbeitsplätze sorgen. Ihm ging es auch darum, Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen, Chancen zu verbessern und Wohnungseigentum auch für die weniger privilegierten Ägypter zu ermöglichen. So wurde aus einem kleinen Tourismuszentrum eine florierende Stadt mit 25.000 Einwohnern, und das alles innerhalb von 20 Jahren. Zuvor gab es an diesem Ort einfach nur – Sand. Auch ich habe zu jenen gehört, die noch Mitte der 90er Jahre El Gouna als Retortenstadt verspottet haben. Inzwischen habe ich meine Meinung allerdings gründlich revidiert. Gut – es liegt ja auch auf der Hand, dass ein Disneyland-Themenpark Ägypten keinen Berliner TU Campus braucht. Den aber gibt es in El Gouna, genau so, wie ein sehr gelobtes Krankenhaus, mehrere Schulen und einer Hotelfachschule. Der Tourismus stellte sozusagen nur den Nukleus für eine völlig neue Stadt dar. Samih meint, wenn es in Ägypten 1000 El Gounas geben würde – und der Platz ist da – würde aus dem Staat ein stabiles, demokratisches und florierendes Land. Im Süden jedoch, wo immer neue Hotelstädte hochgezogen werden, gilt eher Hurghada denn El Gouna als Beispiel. Samih hingegen ist unverzagt und baut ähnliche Modellstädte in Marokko, dem Oman, auf Mauritius, in Rumänien und – man höre und staune – in der Schweiz. Vielleicht wird ja unter einer neuen Regierung sein Beispiel doch noch Schule machen, egal, wer an die Macht kommt.

Übrigens hat Samih auch einen Fußballverein in El Gouna gegründet, den er in wenigen Jahren von der untersten in die oberste Liga geführt hat. El Gouna hat gestern gegen El Masri leider 0:1 verloren.