Die Bekenner

Jetzt scheint es klar, wer hinter dem Anschlag auf den Touristenbus in Taba steckt. Bekannt hat sich zumindest die Gruppe Ansar Beit al Maqdis zu dem Attentat. Was allerdings besonders beunruhigend scheint, ist die Tatsache, dass das Bekenntnis mit einem Ultimatum verknüpft wurde. Bis 20. Februar sollen alle Touristen das Land verlassen, danach werden sie als legitime Ziele betrachtet. Aha, die drei getöteten südkoreanischen Touristen waren demnach keine legitimen Ziele in den Augen ihrer Attentäter? Soviel Zynismus muss an dieser Stelle sein.

Aber was sagt uns die Organisation? Ansar Beit al Maqdis wurde vermutlich im Februar 2011 gegründet und zwar unter anderem von Gefängnisinsassen, die von der Hamas nahestehenden Gruppen befreit wurden. Einer der Befreiten war damals übrigens ein gewisser Mohammed Mursi, dem unter anderem genau wegen diesem Sachverhalt gerade der Prozess gemacht wird. Allerdings geht es in dem Prozess auch noch um etwas ganz anderes: Letztlich soll auch die Frage geklärt werden, ob Mursi in seiner Zeit als Präsident Organisationen wie Ansar Beit al Maqdis finanziell und logistisch unterstützt hat. Insgesamt gibt es mindestens fünf verschiedene Gruppen, die den Norden des Sinais seit geraumer Zeit zu einem rechtsfreien Raum machen. Gemein ist ihnen allen, dass sie von der Hamas unterstützt werden, Al Qaida nahestehen und mit Vorliebe ägyptische Polizisten und Soldaten umbringen.

Gut bewacht werden Touristenbusse in vielen Gegenden schon heute. Foto: psk

Gut bewacht werden Touristenbusse in vielen Gegenden schon heute. Foto: psk

Jetzt werden zumindest von dieser einen Organisation Touristen direkt und explizit bedroht. Wie ernst ist das zu nehmen? Zunächst einmal bedeutet das bei einer Terrororganisation einen völligen Paradigmenwechsel. Seit den 90er Jahren hatte sich im Gefüge der terroristischen Gruppen in Ägypten die Erkenntnis durchgesetzt, dass Anschläge auf Touristen den eigenen Zielen mehr schaden als nützen. Schon einmal, Anfang der 90er Jahre war der Tourismus erklärtes Ziel islamistischen Terrors. Die Folge war, dass Organisationen wie die Gama al Islamiyya rapide an Ansehen und vor allem Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Das gipfelte schließlich im Zusammenbruch und der teilweisen Auflösung der Gama im Jahr 1998. Einflussreiche Terrorfürsten wie der Kinderarzt Aiman al Zawahiri mussten das Land damals fluchtartig verlassen. Er schloss sich später Osama bin Laden an und und ist heute dessen Nachfolger als Chef der Al Qaida.

Die Ereignisse von 1997 und 1998 – also erst die Anschläge von Kairo und Luxor mit insgesamt über 70 Toten und die teilweise Selbstauflösung der Gama im darauffolgenden Frühjahr – bedeuteten allerdings nicht etwa das Ende des Terrorismus. Die Devise hieß schon damals: Jeden Tag ein toter Polizist. Und das wurde auch umgesetzt. Im Westen hat man darüber jedoch kaum etwas erfahren. Das alles zu Zeiten von Hosni Mubarak.

Nun scheint es sich gerade wieder umzudrehen. Was nun einerseits alarmierend scheint, ist die Tatsache, das die Gruppe Ansar Beit al Maqdis, die im Norden des Sinais operiert, gar nicht auf den Rückhalt der Bevölkerung angewiesen ist, wie es vor rund 20 Jahren die Gama al Islamiyya war. Also müssen sie auch keine Rücksicht auf das Geschäft mit dem Tourismus nehmen.

Allerdings lassen die Bekenntnisse der Gruppe auch noch einige andere Schlüsse zu: Offfenbar scheint der Druck der Regierung inzwischen so massiv und offenbar auch so wirkungsvoll zu sein, dass wenigstens eine Organisation zu einem Mittel greift, dass jahrelang tabu war. Außerdem lässt das Ganze auch noch darauf schließen, dass sich die Gruppen untereinander völlig uneins sind. Das könnte sie vielleicht schwächen. Interessant ist allerdings noch ein ganz anderer Punkt: Viele hochrangige Moslembrüder haben selbst viel Geld in der Tourismusbranche stecken. Wenn auf die keine Rücksicht mehr genommen wird, dann könnte es sein, dass die Brüder inzwischen am Ende sind.

Schließlich ein letzter Punkt. Allzu viel ist über Ansar Beit al Maqdis nicht bekannt. Wenn aber nur die Hälfte von dem stimmt, was über die Gruppe kolportiert wird, dann dürfte das Bekenntnis zu dem Anschlag in Taba den einstigen Staatspräsidenten Mohammed Mursi dem Galgen ein gehöriges Stück näher gebracht haben.

Partei oder Persönlichkeit?

Immer diese Schrifsteller! Der Verleger (r.) und sein Autor.

Noch einige kurze Anmerkungen zu meinem gestrigen Blogeintrag. Der hat immerhin zu einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit meinem Verleger Robert in der Kneipe unseres Vertrauens geführt. Vor allem die These, dass Mohamed Mursi die Wahlergebnisse der Moslembrüder halbiert habe, hat Robert erzürnt. Außerdem musste ich mich – nicht ganz zu Unrecht – mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass der Blogeintrag dann doch ein wenig zuviel Insider-Wissen voraussetzt. Insbesondere die Vielzahl der Namen habe dann etwas verwirrt. Diese Verwirrung will ich nun entwirren.

Von den 13 Kandidaten, die zur Präsidentschaftswahl standen, galten fünf als aussichtsreich.:

  1. Der frühere Außenminister Amr Moussa,
  2. der ehemalige Moslembruder Abul Futuh,
  3. der frühere Premierminister Ahmed Shafik,
  4. der Vorsitzende der Partei der Moslembrüder „Freiheit und Gerechtigkeit“ Mohamed Mursi,
  5. der Nasserist Hamdin Sabahi.

Als Favoriten galten Moussa und Futuh, die sich auch in einem Fernsehduell vier Stunden lang gegenüber standen. Es war das erste seiner Art in Ägypten. Experten waren vor der Wahl davon ausgegangen, dass Moussa weitgehend die Stimmen des säkularen Lagers sammeln würde und Abdul Futuh die meisten Stimmer der Religiösen bekommen würde.

Obwohl die Moslembrüder bei den Parlamentswahlen mit ihrer Partei „Freiheit und Gerechtigkeit“ mit rund 47 Prozent der Stimmen extrem gut abschnitten, wurden Mursi keine all zu großen Chancen eingeräumt. Zum einen war er nur der Ersatzkandidat. Der eigentliche Kandidat der Moslembrüder Chairat el-Shater war von der Wahl ausgeschlossen worden. Mursis Wahlkampfauftritte waren häufig ein Desaster, und außerdem fand der im Sommer von den Moslembrüdern ausgeschlossene Futuh gerade bei der Jugend der Moslembrüder viel Zustimmung. Schließlich hatten sich in den letzten Monaten zahlreiche Wähler enttäuscht von den Moslembrüdern abgewendet.

Vergleicht man das Abschneiden der Partei bei den Parlamentswahlen mit dem des Kandidaten zur Präsidentschaftswahl, dann ist das Ergebnis tatsächlich nur noch halb so groß. Der Streitpunkt am gestrigen Abend war nun, ob es zulässig ist, die Ergebnisse einer Parlamentswahl mit denen einer Persönlichkeitswahl zu vergleichen. Robert meinte nein, ich meine ja. Es ist sicherlich richtig, dass Mursi ziemlich schlechte Startvoraussetzungen hatte. Wenn es stimmt, was man so hört, dann war er der sprichwörtliche „Hund, der zum Jagen getragen werden muss.“ Doch sein vergleichsweise schlechtes Abschneiden ist nicht alleine seiner Person geschuldet. Tatsächlich haben sich in den letzten Monaten vor allem junge Ägypter von der Partei „Freiheit und Gerechtigkeit“ abgesetzt, weil sie von den Moslembrüdern enttäuscht sind und im Land zu wenig passiert.

Das kann sich jetzt bald ändern. Gestern hatte ich prophezeit, dass Mursi verhandeln muss, wenn er die Stichwahl gewinnen will. Und was lese ich heute? Dass er sich einen koptischen Vizepräsidenten vorstellen kann. Das klingt zunächst einmal nicht schlecht. Die Kopten machen immerhin 10 Prozent der Bevölkerung aus. Sie haben allerdings unter den halbanarchischen Zuständen am meisten zu leiden. Mursis Gegner Shafik verspricht, diese Zustände mit größter Härte beenden zu wollen. Das klingt dann eher wieder nach Drohung im Stile des alten Regimes, denn nach Hoffnung.