Die Macht der Generale

Die Frage kommt, aber leider viel zu selten. Manchmal fragen mich Leute: „Woher kommt eigentlich die große wirtschaftliche Macht der Militärs in Ägypten?“ Komisch eigentlich. Man kann sich ja durchaus mal die Frage stellen, warum sich eine riesige Armee nicht auf ihre Kernkompetenz beschränkt und einfach Armee ist. Im Gegenteil: gerade ihre Kernkompetenz scheint ja völlige Nebensache zu sein. Gerade die, die am lautesten beklagen, dass die Armee nun wieder die Strippen zieht, haben sich offenbar mit dieser Grundfrage noch nie beschäftigt. Dabei könnte sie von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung des Landes sein.

GAMAL ABDEL NASSER (links; hier mit König Feisal von Saudi-Arabien und PLO-Führer Jassir Arafat) verordnete Ägypten eins die volle Autarkie. Foto: Al Ahram

GAMAL ABDEL NASSER (links; hier mit König Feisal von Saudi-Arabien und PLO-Führer Jassir Arafat) verordnete Ägypten eins die volle Autarkie. Foto: Al Ahram

Die Ursprünge für diese wirtschaftliche Machtfülle dürften bei Gamal Abdel Nasser liegen. Mit der Gruppe der „Freien Offiziere“ putschte er 1952 König Faruk von der Macht, die er zwei Jahre später entgültig an sich riss. Nasser hatte eine ganz klare Leitlinie, und die hieß Unabhängigkeit. Nach der Quasikolonialzeit unter den Briten suchte Nasser für Ägypten die bedingungslose Unabhängigkeit, nicht nur staatlich, sondern auch diplomatisch und vor allem wirtschaftlich. Mit dem Regierungschefs von Indien und Jugoslawien, Nehru und Tito gründete er die „Blockfreien Staaten“. Die wollten im kalten Krieg weder von den Amerikanern noch den Sowjets abhängig sein.

Wenn man allerdings über eine rückständige Industrie, wie Ägypten verfügt, ist es relativ schwierig wirklich wirtschaftlich unabhängig zu sein. Trotzdem forderte Nasser von seinem Land die völlig Autarkie: „Von der Nähnadel bis zur Atomrakete“ müsse alles im Land selbst hergestellt werden. So wird die Sache schnell klar: Wenn Autarkie Staatsziel wird, dann muss im Zweifel auch die Armee ran, um dieses Staatsziel zu erreichen.

Die Geschichte hat gezeigt, dass Nasser seine Ziele jetzt nicht unbedingt zu hunderprozent umsetzen konnte. Um ehrlich zu sein, ist er mit seinen Projekten, abgesehen vom Nasserstaudamm ziemlich kläglich gescheitert. Am Ende landete er in sowjetischer Abhängigkeit und was von der ägyptischen Autoindustrie übrig geblieben ist, ließ sich vor ein paar Jahren noch beim Minibusfahren in Hurghada besichtigen. Die Älteren von uns erinnern sich vielleicht – ja nach dem – mit Entsetzen oder Erheiterung an die Eltramco Busse. Was blieb, war ein immer weiter wachsendes Wirtschaftsimperium des Militärs. Nur warum wuchs es nur? Ganz einfach: Es dient bis zum heutigen Tag der wirtschaftlichen Absicherung ausgeschiedener Militärs.

Jeder, der verlangt, dass die Militärs ihrer wirtschaftlichen Macht entsagen, muss zwangsläufig auch eine Antwort darauf finden, wie er die daraus folgenden schweren sozialen Verwerfungen verhindern will. Es geht ja nicht nur darum, dass ein paar Generale in den Ruhestand versetzt werden.

Genau so wenig, wie der Westen eine Antwort darauf hatte, was die Alternative zur Räumung der MB-Lager in Kairo gewesen wäre, hat er natürlich eine darauf, was mit dem, zum Teil ja maroden, Wirtschaftsimperium der Generale werden soll. Gerade wir in Deutschland haben ja erlebt, was es heißt, eine marode Industrie zu übernehmen. Nun sind die sozialen Grundlagen in Ägypten deutlich schwächer, als sie in der DDR 1990 waren.

Dass sich der Westen auf recht unsachliche Weise mit den derzeitigen Umständen in Ägypten auseinandersetzt, führt zu der paradoxen Situation, dass die Macht des Militärs nicht gemindert, sondern gestärkt wird. Mit jedem kritischen Wort aus dem Ausland wächst die Sympathie für Abdel Fatah al Sissi. Interessanter ist aber ein anderes Phänomen: Die ägyptische Jugend entdeckt gerade ein neues Idol, so hört man: Gamal Abdel Nasser. Ob das dem Westen gefällt lassen wir mal dahingestellt. Aber er hat sicher selbst dazu beigetragen.

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