Pressekonferenz im Orient

Nun habe ich ja schon die ein oder andere Pressekonferenz in meinem Leben besucht. Aber die heute morgen war schon etwas Außergewöhnliches. Geladen hatte der Verband der Reiseveranstalter Red Sea und – man höre und staune – die Partei „Freiheit und Gerechtigkeit“. Eigentlich ist die Partei hier im Land und in Europa besser bekannt unter „Moslembrüder“.

Es stimmt schon. Hier handelt es sich im eine islamistische Partei. Die Frage ist jedoch, wie gemäßigt sie inzwischen ist. Aber das soll an dieser Stelle nicht das große Thema sein. Dass sich die Moslembrüder mit dem Touristenverband zu einer Pressekonferenz im Steigenberger Hotel treffen, ist schon mal bemerkenswert genug. Bislang war ich ja bei solchen Terminen ein paar Häppchen und ein wenig Getränke gewohnt. Wenn es etwas Größeres war, gab’s dann schon mal ein paar „Giveaways“ der besonderen Art. In Rottweil war die Jahrespressekonferenz im Milchwerk immer besonders beliebt, weil es da für die Pressevertreter Fruchtjoghurt in rauhen Mengen zum Mitnehmen gab.

Im Steigenberger gab es keinen Fruchtjogurt, dafür im Vorraum so ziemlich alle Köstlichkeiten des Orients, inklusiver zweier Schokoladenbrunnen. Aus dem einen sprudelte weiße, aus dem anderen braune Schokolade. Es war also kein Wunder, dass sich der Beginn der Veranstltung gleich um eine halbe Stunde verzögerte, aber das lag auch daran, dass sich der Gouverneur verspätete, was durchaus üblich und eingepreist ist.

Mazen und Abir - vielen Dank für Eure Hilfe.

Die erste Reihe des großen Saales war für die höhere Geistlichkeit und die lokale Politprominenz reserviert. Alle hatten sie kleine Tischchen mit Erfrischungen vor sich. Auch in der zweiten Reihe gab es Erfrischungstischchen. Sie war für hochrangige Militärs reserviert. Die folgenden Reihen hatten keine Tischchen. Dort saßen Freunde und Angehörige aus Reihe 1 und 2. Etwa in Reihe fünf hatten dann die ersten ägyptischen Journalisten Platz genommen. Danach, mit gebührendem

Abstand, kam der nächste Block mit mehreren Sitzreihen, in denen ausländische, vorwiegend russische Kollegen Platz nahmen. Die Pressekonferenz fand im Rahmen der ägyptisch-russischen Kulturwoche statt. Es gab auch eine Simultan-Übersetzungsanlage – leider nur arabisch-russisch, was mich jetzt nicht unbedingt weiter gebracht hätte. Doch mit Abir hatte ich eine wunderbare und hochkompetente Dolmetscherin an meiner Seite. So konnte ich den wesentlichen Punkten der Veranstaltung gut folgen.

Die wichtigste Erkenntnis: Die Muslimbrüder wollen den bislang vorherrschenden Tourismus nicht nur unangetastet lassen. Sie wollen den Tourismus vielmehr durch neue Produkte (übrigens explizit auch im Bereich Sport!!) weiterentwicklen und planen bis zum Jahr 2016 die Touristenzahlen auf 20 bis 25 Millionen zu steigern. Angesichts von 10 Millionen Urlaubern vor der Revolution scheint mir das ein sehr ehrgeiziges Ziel.

Der Vertreter der ägyptischen Sozialdemokraten forderte, im Tourismus mehr Augenmerk auf die Ökologie zu legen und die Arbeitsbedingungen der im Tourismus beschäftigten nicht außer acht zu lassen. Beonders bemerkenswert aber fand ich die Rede eines Sheiks der Al-Ahsar Universität in Kairo, der mit einem Koranzitat verdeutlichte, dass das Reisen durchaus ein gottgefälliges Werk und der Tourismus daher zu fördern sei.

Alles in allem dauerte die ganze Veranstaltung drei Stunden. Ich habe mir danach ausgemalt, wie Kollegen in Deutschland reagieren würden, wenn sie drei Stunden bei einer Pressekonferenz absitzen müssten. Es war eine sehr amüsante Vorstellung.

Für mich war es eine tolle Erfahrung, und gebracht hat es auch einiges. Nach drei Wochen fruchtbarer und intensiver Arbeit bildete diese PK einen sehr gelungenen Abschluss. Ich bin Mazen Okasha sehr dankbar, dass er mir den Besuch dieser Veranstaltung ermöglicht hat.

Inzwischen sind meine Bordkarten ausgedruckt. Der Flieger nach Deutschland geht morgen Nachmittag um 15.30 Uhr. Doch in Deutschland wartet noch viel Arbeit auf mich.

Das wird natürlich noch nicht das Ende des Blogs „Koulou tamam, Ägypten?“ sein. Ich werde auch weiter über die Entstehung des Buches und vor allem über die Entwicklungen in Ägypten berichten. Spannende Tage liegen vor uns. Am 25. Januar jährt sich der Ausbruch der Revolution zum ersten Mal. Über dem ganzen Land liegt eine gespannte Erwartung. Auch das Urteil über Hosni Mubarak steht noch aus. Wenn es gesprochen ist, wird es sicher auch Reaktionen auf der Straße geben. In diesem Zusammenhang übrigens ein Wort an alle Gegner der Todesstrafe (zu denen ich mich selbstverständlich auch zähle): Es ist zwar nicht ausgemacht, dass Mubarak zum Tode verurteilt wird (der Staatsanwalt hat das gefordert). Allerdings gilt es als ziemlich ausgeschlossen, dass er im Falle eines solchen Spruchs auch hingerichtet wird, denn das gibt die Gesetzeslage gar nicht her. Die sagt nämlich, dass ein über 80jähriger gar nicht hingerichtet werden darf. Ich schätze mal, dass die Ägypter damit weiter sind, als zum Beispiel der US-Bundestaat Texas.