Hauptsache geschrieben

Manchmal ist es ja wirklich zum aus der Haut fahren. Da gibt man sich noch immer der Illusion hin, dass Blätter wie „Der Spiegel“ oder die „Süddeutsche Zeitung“ so etwas wie Qualitätsjournalismus vertreten. Erstaunlicherweise war in den Online-Ausgaben beider Blätter am Mittwoch – passend zum Jahrestag der Revolution – ein Beitrag zum Thema darbender Tourismus in Ägypten. Dass es sich um einen dpa-Bericht von Annette Reuther handelte – nun ja, geschenkt. Warum sollen Spiegel und SZ nicht auch mal eine Reportage bei der Agentur kaufen dürfen? Aber doch bitte nicht so etwas!

Auch in Luxor war im Januar von Hitze keine Spur

Da erklärt die Autorin den Januar zur Hochsaison, in der in Luxor „Touristenbusse Menschenmassen im Sekundentakt ausspucken.“ Aha. Schon wieder was gelernt. Ich war vielleicht fünf bis zehn mal im Januar in Ägypten. Selbst ohne Terror und Revolution ist die Zeit zwischen Mitte Januar und Ende Februar die touristenärmste. Doch die paar versprengten  Touristen, die laut Frau Reuther durch Luxors Ruinen irren, müssen auch noch leiden: „Auch am Tempel von Hatschepsut schleppen sich nur ein paar japanische Touristen in der Hitze die Treppen zu dem kolossalen Gebäude hoch.“ Soso, Hitze! In Ägypten klagen die Menschen derzeit über den kältesten Winter seit 20 Jahren. In Alexandria ist Schnee gefallen, auf dem Sinai ist das Katharinen-Kloster von Schnee bedeckt. In Luxor dürfte nachts einfach mal der Gefrierpunkt erreicht worden sein. In der Sonne wird’s dann wärmer. Ein wenig über 20 Grad. Oh, mein Gott, wenn das Hitze ist, was macht dann Frau Reuther im Juli im Tal der Könige, wenn es fast 50° C im Schatten hat – allerdings gibt es dort keinen Schatten. Das ist Hitze!!!

Sie scheint ja ziemlich gute Geschäfte gemacht zu haben, denn sie zitiert auch noch Händler, die ihre Waren nun zu Revolutionspreisen verramschen. Passt auch alles schön ins Klischee-Bild. In Hurghada haben mir mindestens zwei Taxifahrer ihre überhöhten Preise mit dem eklatanten Mangel an Touristen erklärt. Die kamen nicht einmal im Traum auf die Idee Revolutions-Sonderangebote zu machen, weil das Geschäft so mies läuft. Das Phänomen der steigenden Preise bei fallenden Touristenzahlen habe ich übrigens auch schon früher in Ägypten beobachtet. Sorry, Frau Reuther, aber bei den Revolutionsschnäppchen bin ich ebenso skeptisch wie bei der großen Hitze im Tal der Könige und dem Urlauber-Boom der normalerweise im Januar Luxor überrollt.

Doch dann kam der Satz, der mich so richtig sauer gemacht hat: „Der Sieg der Islamisten und Berichte, wonach in Ägypten eine Religionspolizei nach saudischem Vorbild und ein Bikini-Verbot eingeführt werden sollen, dürften die Reisenden weiter eher skeptisch stimmen.“ Da spricht nun die wahre Expertin. Also für alle zum Mitschreiben: Es wird in Ägypten weder ein Bikiniverbot, noch ein Alkoholverbot, noch getrennte Strände oder eine Religionspolizei geben. Das haben die Moslembrüder ganz klar ausgeschlossen, weil sie selbst wissen, wie dringend sie das Geld aus dem Tourismus brauchen. Selbst bei der salafistischen Partei „El Nour“ hat es noch keinen einzigen Politiker gegeben, der solche Forderungen aufgestellt hat. Sie kommen nur von Salafisten nahestehenden Sheiks oder Imamen. Einer von ihnen hat sogar gefordert, dass Frauen auf dem Markt keine Bananen und keine Gurken mehr kaufen dürfen. Mann, hat der eine schmutzige Fantasie. Aber er ist jetzt auch in ganz Ägypten eine Lachnummer.

Ob der detailgenauen Beschreibung sind zumindest Zweifel erlaubt, ob diese Frau im Januar tasächlich in Ägypten war. Wenn sie wirklich dort war, dann handelt es sich „nur“ um schlechten Journalismus. War sie nicht dort, wäre die Geschichte gefaket und der Presserat sollte sich damit auseinandersetzen. Das Land hat wirklich schon Probleme genug. Da braucht es nicht noch solche Artikel.