Geplantes Chaos?

Die ägyptische Regierung ist zurückgetreten – komplett. Sehr lange hat sie nicht für diesen überraschenden Schritt gebraucht. Die Kabinettssitzung soll gerade mal 15 Minuten gedauert haben. Begründet hat Premier Hasan al Beblawi den Rückzug des gesamten Kabinetts nicht. Immerhin hat er noch in einem flammenden, an John F. Kennedy gemahnenden Aufruf die Ägypter ermahnt, mehr an ihr Land und weniger an ihre eigenen Interessen zu denken. Wenn das mal fruchtet. Auf jeden Fall hat der Rücktritt das Chaos im Land nicht gerade gedämpft. Aber war er so geplant?

Mitten in der Wirtschaftskrise und einem Kampf gegen den Terror, der im Norden des Sinais längst die Züge eines Bürgerkrieges trägt, macht sich die Regierung so mir nichts, dir nichts vom Acker. Auf das Ausland macht das nicht gerade einen guten Eindruck. Allerdings werden Beblawi nur wenige eine Träne nachweinen. So richtig überzeugend war er nicht, und vor allem stand er ganz im Schatten seines eigenen Verteidigungsministers, Abdel Fatah al Sisi. Er gilt als der starke Mann Ägyptens, und es wird gemutmaßt, dass genau er hinter dem Rücktritt der Regierung steckt. In vielen Berichten gibt es einen Querverweis darauf, dass Sisi, wenn er für die Präsidentschaft kandidieren will, als Verteidigungsminister zurücktreten müsste. Ja und? Dann wäre er eben zurückgetreten und muss ja deswegen nicht gleich die ganze Regierung mitreißen. Nein, das zeigt nur zweierlei. Einerseits ist da die schon fast manische Beschäftigung mit dem Übermenschen Sisi, der in Ägypten alles, aber auch gar alles zu kontrollieren scheint (und dabei doch offensichtlich so wenig im Griff hat), und andererseits ist es der Beweis dafür, dass es mit Polizeistaat und Willkürherrschaft doch nicht so weit her sein kann, wie das seit Monaten immer wieder behauptet wird.

Es scheint eher so, dass Beblawi von den andauernden Streiks entnervt einfach das Handtuch geworfen hat. Es sind – man höre und staune – ausgerechnet Staatsunternehmen wie die Post, die von den Streiks betroffen sind. Deren Bedienstete sollten allerdings auch nicht von dem neuen Mindestlohngesetz profitieren. Will man es positiv betrachten, dann gilt doch eines: Zumindest das Streikrecht ist in Ägypten noch völlig intakt und wird scheinbar auch leidlich ausgenutzt. Allerdings sind die Streiks auch völlig verständlich. Gerade im Staatsdienst sind die Verdienste jämmerlich, und die Lebenshaltungskosten in Ägypten sind förmlich durch die Decke geschossen. Zum Teil werden für manche Waren des täglichen Bedarfs schon fast Preise aufgerufen, wie wir sie in Mitteleuropa kennen – allerdings bei einem Monatslohn von 200 oder 300 Euro. Viele Ägypter haben nicht einmal so viel.

Der nächsten Übergangsregierung soll Wohnungsbauminister Ibrahim Mahlab vorstehen. Auch er wurde politisch von Hosni Mubarak sozialisiert, was in diesen Tagen nicht gerade eine Auszeichnung ist, aber doch immer häufiger vorkommt. Daher kommt auch die wachsende Angst davor, dass sich das alte Mubarak-Regime durch die Hintertür wieder an die Macht schleicht.

Doch da ist der frischgebackene Feldmarshall al Sisi vor. Natürlich will er Präsident werden, und er wird es auch. Dass er sich ziert und immer wieder sagt, dass er nur kandidiert, wenn ihn das Volk ruft, ist wohl mehr als nur Eitelkeit. Wenn er  gerufen wird, dann kann der den Ägyptern auch einiges abverlangen, was ein Beblawi als Premier eher nicht konnte, selbst wenn er noch so oft Kennedy zitiert. Dass Beblawis Nachfolger zum neuen Politstar avanciert, ist auch nicht gerade zu erwarten. Es sind schließlich die rosenbekränzten Porträts von Sisi, die durch die Straßen getragen werden.

Ich glaube nicht, dass hinter dem Rücktritt ein größerer Plan von Sisi wirkt. Im Gegenteil: wahrscheinlich ist er von dem Rückzug des Kabinetts kalt erwischt worden. Doch ändern wird das alles wenig bis nichts. Es wird schnell eine neue Regierung geben, und spätestens am 18. April hat Ägypten wieder jemand, der auch öffentlich zugibt, dass er bestimmt, wo es lang geht. Bis dahin muss Ägypten nämlich einen neuen Präsidenten gewählt haben.

2 Gedanken zu “Geplantes Chaos?

  1. wie es momentan aussieht, wurde sis der posten des verteidigungsministers angeboten. wenn er diesen annimmt dann ist es fraglich ob er kandidieren wird oder nicht.

    die regierung unter beblawi war der grund des kontinuirlichen spottes in den medien und anderswo. fuer die aegypter hat diese versagt.

    diese ploetzliche veraenderung hat einen geo-strategischen grund den wir noch nicht erkennen.

  2. Da ich sehr lange in Kairo gelebt habe und mich jetzt wieder in Kairo befinde, erlaube ich mir einen Kommentar abzugeben. Da zuzeit eine Gesetzlosigkeit hier herrscht, ist es nötig das General Sisi die Macht übernimmt um Ordnung zu schaffen. Ein Beispiel, macht jetzt JEDER was er möchte, DREI Bäume wurden z. Beispiel einfach von einem Autohändler abgesegt , um ganz schnell 13 Wagen auf dem Platz ( Gehsteig, wo d. Bäume standen) hinzustellen. Dieses VOR einem 10 stöckigen Haus , in d. Youssef Abbasstr. Nasr City. Außerdem hat man noch ein Stück der Straße gleich mit in Beschlag genommen, dieses für die Parkplatze potentieller Kunden. Das ist kein Einzelfall, bei d. Straße Terajan Nasr City sieht es ähnlich aus. Die Hausparteien die vorher gern ein wenig unter den Bäumen saße und sich unterhielten, verständigten den „rais il Hay“, nichts passierte, dann die Polizei , die meinte sie hätte für diese Aktionen nicht genügend Leute, müßten jetzt konzentriert für Ruhe im Land sorgen. SElber machte ich Fotos und ging zum Militaer, die versprachen der Sache nachzugehen ( da nur 5 Minuten entfernt) doch auch da passierte nichts! Die ganzen Strassen v. Bahnhof aus bis zur „Vokala“ (Markt) sind mit Plunder , alte Kleidung, Brillen Taschen u.s.w. VOLL! Sieht aus wie ein billiger, vollbepackter Trödelladen in der so schönen Stadt. Hat fast für mich den Anschein als fürchte sich die Polizei vor dem Andrang der Händler! DARAN KANN NUR NOCH DAS MILITÄR WAS ÄNDERN, SOLLTE ES ENDLICH ANFANGEN AUFZURÄUMEN UND VERLANGEN DIE GESETZE EINZUHALTEN!!I
    Auch wird einfach gebaut wo es eigentlich verboten ist, in Cairo wie in Hurghada und wahscheinlich auch in anderen Stadten.
    HOFFE sehr für dieses gastfreundliche, wunderschönes Land mit der ältesten Kultur der Welt ,das Milirär mit SISI an der Spitze, stopt bald diese Gesetzlosigkeiten der schnell einsetzenden
    Gaunereien!