Tafel mit Preisänderungen

Mehrwertsteuersenkung: Warum unsere Bücher trotzdem nicht billiger werden

Anfang des Monats hat die Bundesregierung angekündigt, dass im Rahmen eines Konjunkturpakets zur Abfederung der coronabedingten Rezession unter anderem die Mehrwertsteuersätze für das zweite Halbjahr 2020 von 19 auf 16 bzw. von 7 auf 5 Prozent gesenkt werden. »Das bedeutet, dass der Konsum angeregt wird«, erklärte die Kanzlerin auf der Pressekonferenz am 3. Juni. Davon erhoffe man sich »eine breite Wirkung für die Belebung der Wirtschaft insgesamt«. Wenn Angela Merkel von einer Anregung des Konsums spricht, ist es also offenbar Wunsch und Wille der Bundesregierung, dass die niedrigere Steuer auch tatsächlich in Gestalt von Preissenkungen an die Verbraucher weitergegeben wird und der Steuervorteil nicht etwa vom Handel einbehalten wird. Auf den ersten Blick klingt das plausibel: Für den Handel ist die Mehrwertsteuer wegen des Vorsteuerabzugs ohnehin mehr oder weniger ein durchlaufender Posten, und zumindest in der Logik des Steuerrechts ist der Kunde der Steuerpflichtige und der Händler macht gewissermaßen nur das Inkasso für den Staat. Und es klingt auch attraktiv: Bei größeren Anschaffungen (Auto, Fernseher, Waschmaschine) machen ein paar Prozentpunkte schon ein bisschen was aus. Aber funktioniert all das auch im Buchhandel?

Ich glaube nicht. Ich will versuchen zu erklären, warum die temporäre Steuersenkung für den Buchhandel ein Problem ist, und ich möchte um Verständnis dafür werben, dass sich zumindest unsere Ladenpreise nicht ändern werden.

Die Sache mit der Buchpreisbindung

Dass ich an dieser Stelle überhaupt Voraussagen über die Ladenpreise unserer Bücher machen kann, liegt daran, dass wir in Deutschland eine gesetzlich vorgeschriebene Buchpreisbindung haben, das heißt: Der Verlag legt den Brutto-Ladenpreis für Endabnehmer fest. Die Buchpreisbindung (die vor Einführung des Buchpreisbindungsgesetzes im Jahr 2002 über vertragliche Vereinbarungen zwischen Verlagen und dem Handel realisiert wurde) »dient dem Schutz des Kulturgutes Buch« und soll »die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen« fördern, indem sie Preiskämpfe zwischen Händlern verhindert. Sprich: Die Buchpreisbindung schützt die kleine Buchhandlung um die Ecke vor der Marktmacht von Firmen wie Amazon. Auch wenn die Buchpreisbindung (überwiegend von außerhalb der Branche) bisweilen kritisiert wird, ist ihre Existenz jetzt erst einmal Fakt. Und da sie auf eine mehr als hundertjährige, fast ununterbrochene Geschichte zurückblicken kann, basieren viele Dinge im deutschen Buchhandel auf dem Konzept des »gebundenen Ladenpreises«. Die entscheidenden Punkte sind:

  1. Auf den verschiedenen Handelsstufen (Verlag, Großhändler, Buchhandlung) wird nicht mit individuellen Einkaufspreisen gerechnet, sondern stets mit prozentualen »Rabatten« gegenüber dem Endverkaufspreis. Wenn also beispielsweise ein Buchhändler ein Buch, für das der Verlag einen Ladenpreis von 25 Euro festgesetzt hat, beim Verlag oder dessen Auslieferung bestellt und beide einen Rabatt von sagen wir 40% ausgemacht haben, dann bezahlt er 15 Euro (brutto!) sowie normalerweise die Versandkosten. (Üblich sind Rabatte im Bereich von 25 bis über 50 Prozent, auch abhängig von der Art des Buches und abgenommener Menge.) Ein Barsortiment, also ein Großhändler, der Bücher auf eigene Rechnung kauft und Buchhandlungen meist über Nacht beliefern kann, bekommt entsprechend einen höheren Rabatt vom Verlag und gewährt der Buchhandlung seinerseits einen entsprechend geringeren Rabatt. Alles basiert also immer auf dem Ladenpreis.
  2. Da alles vom Ladenpreis abhängt und dieser vom Verlag inklusive der gültigen Mehrwertsteuer anzugeben ist, sind Nettopreise, auch über die Handelsstufen hinweg, letztendlich immer aus den Bruttopreisen (abzüglich Rabatt) errechnet und nicht umgekehrt. Ein Buch hat also, wenn man so will, gar keinen Nettopreis, man kann ihn lediglich jeweils ausrechnen.

Preisänderungen

Tafel mit Preisänderungen

Trotz Buchpreisbindung kann der Verkaufspreis von Büchern natürlich geändert werden. Das geschieht, indem der Verlag den neuen Preis mit entsprechender Vorlaufzeit an das Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) meldet, das hierzulande auch als Preisreferenzdatenbank fungiert. (Unter buchhandel.de können die gebundenen Ladenpreise von Büchern auch von Nicht-VLB-Abonnenten recherchiert werden.) Bei E-Books sind Preisänderungen, gerne in Form von zeitlich begrenzten Aktionen, inzwischen gang und gäbe und auch mehr oder weniger unproblematisch, da keine physischen Waren bewegt werden. Auch bei gedruckten Büchern gibt es Preisanpassungen – nicht zu verwechseln mit der Aufhebung des gebundenen Ladenpreises, die frühestens nach 18 Monaten möglich ist –, aber die haben eine Reihe von Implikationen, die es zu beachten gilt:

  1. Außer bei Aktionstiteln und Neuerscheinungen sind Bücher in Buchhandlungen im Allgemeinen nicht in großen Stapeln desselben Titels anzutreffen. Das unterscheidet sie von Produkten in einem Supermarkt insofern, als dass die nach der Preisangabenverordnung verpflichtende Angabe des Bruttoverkaufspreises meist nicht durch ein Schild am Regal erfolgen kann. Trotzdem muss aber jedes Produkt in einem Laden mit seinem Preis ausgezeichnet sein. Deshalb drucken viele Verlage – auch wir, zumindest bei den Softcover-Titeln – den Ladenpreis direkt auf das Buch, quasi als Service für den Handel. Barsortimente liefern Etiketten mit dem gültigen Preis an die Buchhandlung, andere Titel müssen von Hand ausgezeichnet werden – vor allem früher auch gerne handschriftlich mit dem Bleistift. Ändert sich der Ladenpreis, müssen die Bücher umgezeichnet werden. Ändern sich die Ladenpreise aller Bücher, müssen also auch alle Bücher umgezeichnet werden.
  2. Weil Bücher oft relativ lange in einer Buchhandlung lagern, schützt die Verkehrsordnung für den Buchhandel die Investition des Buchhandlung dadurch, dass eine Herabsetzung des Ladenpreises sie dazu berechtigt, innerhalb der letzten 12 Monate eingekaufte Bücher zu remittieren (also gegen Gutschrift zurückzugeben) oder sich die Differenz zwischen dem bezahlten und dem neuen Preis (=Ladenpreis abzüglich Rabatt) erstatten zu lassen.

Faktisch führt das dazu, dass Ladenpreise selten und wenn überhaupt, dann nach oben geändert werden. Deutlich üblicher als Preissenkungen ist es, dass stattdessen Neuausgaben, meist mit anderer Ausstattung, erscheinen, die als neues Produkt mit neuer ISBN und neuem Preis verkauft werden. Besonders bei Großverlagen erscheinen viele Bücher zunächst als Hardcover und dann als günstigere Paperback- oder Taschenbuchausgabe, um eine zweite Verkaufswelle zu ermöglichen.

In Bezug auf die anstehende Mehrwertsteueränderung gibt es im Prinzip zwei Szenarios: Entweder der Verlag senkt den Bruttopreis, so dass der Nettopreis rechnerisch gleich bleibt, das Buch für Endkunden aber ein wenig billiger wird, oder der Verlag ändert nichts, so dass zwar der Ladenpreis gleich bleibt, aber der Nettopreis temporär leicht steigt. Schauen wir uns beide Möglichkeiten an.

Die Zwei-Prozent-Hürde

Bücher (und seit Ende letzten Jahres auch E-Books) sind in Deutschland mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz zu versteuern, der momentan 7 Prozent beträgt und nach dem Willen der Bundesregierung vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 auf 5 Prozent abgesenkt werden soll. Werden Bücher jetzt also »zwei Prozent billiger«? Rein rechnerisch werden sie das schon deswegen nicht, weil die sich daraus theoretisch ergebende Bruttopreissenkung gar nicht 2 Prozent beträgt, sondern nur ca. 1,8692 Prozent (Rechenweg: 1 − (1 : 1,07 · 1,05) ≈ 0,018692). Ein Buch, das (wie beispielsweise die Bände unserer Colin-Duffot-Krimireihe) derzeit 14,90 Euro kostet, würde dann 14,62 Euro kosten. Die Käuferin oder der Käufer spart 28 Cent, also noch nicht einmal den Gegenwert einer halbwegs anständigen Schrippe. Ob dadurch »der Konsum angeregt wird«? Unklar. Um jedenfalls diesen enormen Effekt zu ermöglichen, müssen folgende Dinge passieren:

  1. Der Verlag muss den neuen Preis ausrechnen und an das VLB sowie die Barsortimente melden. Auch in einem ggf. vorhandenen eigenen Online-Shop muss der Preis natürlich aktualisiert werden, denn ein Buch muss ja überall den gleichen Ladenpreis haben.
  2. Jede Buchhandlung, die das Buch vorrätig hat, muss es aus dem Regal heraussuchen, ein neues Preisschild drucken und aufkleben – unabhängig davon, ob der Titel zwischen Juli und Dezember überhaupt verkauft wird.
  3. Der Buchhandel, der von Schwellenpreisen (also Preisen, die auf 99 oder 49 Cent enden) ohnehin nicht so richtig begeistert ist, wird sich eine größere Menge 1-, 2- und 5-Cent-Münzen als Wechselgeld beschaffen und damit hantieren müssen, was heutzutage bei den meisten Banken mit erheblichen Gebühren verbunden ist. Das ist zwar in anderen Branchen wie dem Lebensmitteleinzelhandel ganz üblich, bleibt aber trotzdem eine Herausforderung für den Buchhandel.
  4. Wenn der Verlag den Preis zum 1. Januar 2021 wieder zurücksetzt – und in Anbetracht der von den Auswirkungen der Corona-Pandemie ebenfalls stark gebeutelten Buchbranche ist nicht einzusehen, warum er das nicht tun sollte – müssen alle Änderungen von allen Beteiligten wieder rückgängig gemacht werden, und zwar ebenso punktgenau zum Stichtag.

E-Books sind natürlich ebenso von der Mehrwertsteueränderung betroffen. Auch wenn hier Preisänderungen im Prinzip recht einfach sind, ergibt sich ein ganz anderes Problem: Durch die Marktmacht von Apple haben sich die aus dem AppStore bekannten, festen Preisstufen auch plattformübergreifend bei E-Books etabliert. Ein Verlag, der ein E-Book für derzeit 12,99 Euro anbietet, hat also faktisch gar nicht die Möglichkeit, es zukünftig zum Preis von 12,99 Euro : 1,07 · 1,05 ≈ 12,75 Euro anzubieten, sondern muss sich entscheiden, ob er auf die nächstniedrigere Preisstufe 11,99 Euro geht. Da auch ein E-Book überall das Gleiche kosten muss, wäre es auch nicht erlaubt, den Preis nur für die übrigen Shops zu ändern.

Heute so, morgen so

Wenn umgekehrt der Bruttopreis so bleibt, wie er ist, ändern sich natürlich auch ein paar Dinge. Denn mit der Mehrwertsteuersenkung um zwei Prozentpunkte steigt damit der Nettopreis um ca. 1,9048 Prozent (Rechenweg: 1,07 : 1,05 − 1 ≈ 0,019048). Bei einem Ladenpreis von gleichbleibend 14,90 Euro ergibt sich damit eine Erhöhung des Nettoumsatzes um (aufgerundet) 27 Cent. (Nein, nicht die 28 Cent von oben; Prozentrechnung funktioniert nicht so einfach.) Wer diese 27 Cent »einstreicht« (wie es Spiegel Online formuliert hat), hängt allerdings davon ab, wo das Buch zu welchem Zeitpunkt war:

  • Hat die Buchhandlung das Buch bereits vor dem 1.7.2020 eingekauft und verkauft es dann bis Jahresende, darf sie das Geld behalten.
  • Wurde das Buch erst im zweiten Halbjahr 2020 angeschafft und dann auch im zweiten Halbjahr 2020 veräußert, profitiert die Buchhandlung lediglich von der 1,9 Pozent höheren Netto-Marge, also 27 Cent multipliziert mit dem Rabatt. Das sind dann zwischen 7 und 12 Cent. Wenn übers Barsortiment eingekauft wurde, profitieren vom Rest, wiederum abhängig vom Datum des Einkaufs des Barsortiments beim Verlag, entweder nur das Barsortiment oder Barsortiment und Verlag.
  • Am Ende des halben Jahres kehren sich die Effekte selbstverständlich wieder um.
  • Von dem, was am Ende beim Verlag ankommt – für eine grobe Überschlagsrechnung können wir mit etwa 40 Prozent des Ladenpreises kalkulieren – wird natürlich unter anderem das Honorar für die Autorin oder den Autor bezahlt. In den üblichen Verträgen ist das ein Prozentsatz vom Netto-Ladenpreis. Für Bücher, die im 2. Halbjahr 2020 verkauft werden, muss dann also die oft jährliche Honorarabrechnung gesplittet werden, da sich der Netto-Ladenpreis ja zwischendurch geändert hat.

Software-Sorgen

Völlig unabhängig davon, für welche Variante sich jeder einzelne Verlag entscheidet – und eine branchenweit einheitliche Lösung wird es wohl aus kartellrechtlichen Gründen nicht geben können – ist der administrative Aufwand für die anstehende Mehrwertsteueränderung immens. Einfach »mal eben« die Höhe des Mehrwertsteuersatzes von 7 auf 5 bzw. von 19 auf 16 Prozent zu ändern, scheint in den meisten Kassen- und Warenwirtschaftssystemen nicht so trivial zu sein, wie man sich das vorstellen oder wünschen mag. Das gleiche gilt für Faktura-Software und Buchhaltungskonten. Je nach gewählter Vorgehensweise sind ggf. auch Online-Shop-Lösungen von Verlagen betroffen, die zwar eine Änderung der Mehrwertsteuer zulassen, aber prinzipbedingt nur entweder mit festem Brutto- oder festem Netto-Preis rechnen können. All dies sind Punkte, die erst einmal jeden Einzelhändler betreffen. Allerdings dürfte es einer Supermarktkette etwas leichter fallen, die Änderungen umzusetzen, als einer kleinen Buchhandlung, die mit jedem Fehler zusätzlich noch riskiert, einen Preisbindungsverstoß zu begehen.

Und nun?

So oder so: Die temporäre Mehrwertsteueränderung wird eine Menge Arbeit mit sich bringen, die gerade kleine und mittlere Unternehmen weitaus stärker betreffen wird als große. Die speziellen Problematiken in der Buchbranche sind nicht, wie Kritiker behaupten mögen, eine Folge der (von mir sehr befürworteten) Buchpreisbindung, sondern hängen damit zusammen, wie der Buchhandel seit Jahrzehnten funktioniert. Und auch wenn es hier an einigen Stellen Reformbedarf geben mag, so wäre nichts davon innerhalb von noch nicht einmal einem Monat umsetzbar. Handelsusancen, aber auch unser Steuerrecht sind komplexer, als dass es damit getan wäre, einfach an der richtigen Stelle eine Zahl zu ändern.

Von den beiden denkbaren Szenarios – Herabsetzung oder Beibehaltung des Ladenpreises – erscheint mir Variante 2 am vernünftigsten zu sein. Und ich sage das nicht, weil ich mir als Verleger davon irgendeinen wirtschaftlichen Vorteil erhoffe. Ich möchte einfach nicht, dass Buchhändler*innen ihre Arbeitszeit damit verbringen, sinnlos Etiketten zu kleben, statt sich zum Beispiel mit unserer Herbstvorschau zu beschäftigen oder ihre Kundinnen und Kunden zu beraten. Ich werde ein bisschen basteln müssen, um eine korrekte Honorarabrechnung für das zweite Halbjahr 2020 zu erzeugen, auch wenn das unseren Autor*innen vielleicht nur ein paar Cent mehr bringt. Selbst Vielleser, die jeden Monat 100 Euro für Bücher ausgeben, kämen am Ende des Jahres nur auf 11,21 Euro Ersparnis. An die appelliere ich: Gönnt dem Buchhandel die paar Extra-Euros. Wir können sie gut gebrauchen, um diese schwere Zeit zu überstehen und Euch auch weiterhin vor Ort mit guten Büchern zu versorgen.

17 Kommentare
  1. Henning
    Henning sagte:

    Sehr nachvollziehbar erläutert. Ich denke, die Bundesregierung hat an vielen Stellen bei diesem Thema einfach nicht zu Ende gedacht und merkt jetzt erst, dass das nicht für alle einfach nur eine Wohltat ist, sondern dass die Umstellung auch viel Aufwand mit sich bringt.

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  2. Kerstin Kobelt
    Kerstin Kobelt sagte:

    Sehr gut auf den Punkt gebracht, ich arbeite in einem Onlinehandel, wir vertreiben – auch – Bücher und Ebooks. Diese Umstellung kostet Unmengen an Zeit und Nerven, unterm Strich wird der Aufwand für den Handel gleich welcher Art ungleich höher dem Gewinn.. und dem Endverbraucher wird diese Geschichte auch keine Reichtümer bringen. Bei uns profitiert der Website Admin noch am Meisten

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  3. keine-antwort-adresse
    keine-antwort-adresse sagte:

    Tja, Kartell bleibt leider Kartell. Und das Kartellanten selten gegen ein Kartell sind ist schon klar. Es geht nicht um die 2% als Wert, sondern um den Symbolcharakter. Die Regierung schützt die Verlagsbranche über die Buchpreisbindung, gedankt wird es dieser in der aktuellen Situation mit Bereicherung. Eine Anpreisung kann auch über eine 2% Zugabe geschehen. Sinnvolle Alternativen wären gewesen den Erlös zu gemeinnützigen Zwecken zu spenden – so ist es nur Raffgier von Verlagen und Händlern.

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    • Robert S. Plaul
      Robert S. Plaul sagte:

      Nein. Der Punkt ist ja gerade, dass es kein Kartell gibt. Und genau deswegen sind branchenweite Lösungen wie beispielsweise ein pauschaler Rabatt von 1,87 (oder meinetwegen auch 2) Prozent an der Kasse eben nicht möglich. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Mehrwertsteuersenkung unkompliziert durchzureichen, hätten das die meisten Verlage und Buchhandlungen sicher gerne gemacht. Aber das Kartellrecht verbietet es gerade, solche Absprachen zu treffen. So bleibt es jedem Verlag selbst überlassen, zu entscheiden, ob er seine Preise anpasst. Wir haben uns dafür entschieden, das nicht zu tun, und ich hatte gehofft, mit meinem ausführlichen Posting einigermaßen erfolgreich für Verständnis dafür zu werben. Wenn die temporäre 1,9-prozentige Nettopreis-Erhöhung von Ihnen trotzdem als Raffgier aufgefasst wird, dann tut mir das leid – aber ändern kann ich es leider nicht.

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      • B. Tischer
        B. Tischer sagte:

        Naja… Das Bundeswirtschaftsministerium lässt eine Ausnahme zu. So müssen Geschäfte, die ihre Preise wegen der geringeren Mehrwertsteuer in den kommenden Monaten nur vorübergehend senken wollen, nicht alle Preisschilder ändern. Sie könnten eine Ausnahmeregelung nutzen und den Rabatt pauschal an der Kasse gewähren.

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        • Robert S. Plaul
          Robert S. Plaul sagte:

          Das wäre aber nur dann gegangen, wenn ausnahmslos alle Verlage(!) unabhängig voneinander(!) entschieden hätten, so verfahren zu wollen – und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht klar war, dass es eine Ausnahme von der Preisangabenverordnung geben würde. Alternativ – und auch wir hätten so eine Lösung begrüßt – hätte der Gesetzgeber eine entsprechende Ausnahmeregelung vom Buchpreisbindungsgesetz beschließen können. Aber ohne gesetzliche Grundlage und mit dem Damoklesschwert des Kartellrechts im Nacken, war an die Umsetzung einer brancheneinheitlichen Lösung innerhalb von wenigen Tagen leider nicht zu denken.

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  4. Gabriela Riep
    Gabriela Riep sagte:

    Was ist das denn für eine Milch Mädchen Rechnung?? zu Gunsten der Händler ??Hier wird mit 0,28 € argumentiert, die ich als Kunde sparen würde, stimmt Kleingeld. Aber hier geht es auch um das Prinzip. Wo bleibt das Kleingeld was ich sparen würde. Große Buchhandlungen & Onlinehändler verkaufen mehr als 1000 Bücher mal Tag. Schon mal nach gerechnet was das in 6 Monaten einbringt, bei nur 1000 Bücher ?? Gute 50.000€, denke da hört der Begriff Kleingeld auf. Es würde ja schon reichen von der Gesamtsumme 2 % Mst, ab zuziehen. Aber selbst das scheint nicht möglich zu sein.

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    • Robert S. Plaul
      Robert S. Plaul sagte:

      Genau das ist das Problem, das ich versucht habe zu erklären: Es ist nicht möglich.
      In jeder anderen Branche ist der Händler im Prinzip der einzige, der mit Bruttopreisen zu tun hat, und deswegen kann er auch beschließen, die Mehrwertsteuersenkung weiterzugeben. (Dass dafür nicht alle Preisschilder geändert werden müssen, ist übrigens erst seit Ende Juni offiziell.)
      In der Buchbranche ist das nicht möglich, weil die Verlage den (Brutto-)Ladenpreis festsetzen. Hätte man einen pauschalen Abzug der zwei Prozentpunkte an der Kasse gewollt, hätten sich ausnahmslos alle Verlage entschließen müssen, die Ladenpreise zu senken – und zwar unabhängig voneinander und nicht durch Initiative etwa des Börsenvereins, denn sonst wäre das ein Kartellrechtsverstoß. Außerdem hätte das alles bereits zu einem Zeitpunkt stattfinden müssen, zu dem noch nicht feststand, dass nicht alle Bücher umgezeichnet werden müssen. Der einzige andere Weg wäre gewesen, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Ausnahme vom bzw. Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes beschlossen hätte. Aber den Gefallen hat er uns – leider – nicht getan.
      Die »Milchmädchenrechnung« war wirklich nicht als solche gemeint. Mir ist durchaus klar, dass 28 Cent, wenn man sie mit 180.000 multipliziert, über 50.000 Euro ergeben – ich wollte es lediglich exemplarisch für eines unserer Bücher vorrechnen.

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    • Reinhard Fixson
      Reinhard Fixson sagte:

      Sehr geehrte Frau Riep,
      “große Buchhandlungen und Onlinehändler” !
      Offensichtlich kennen Sie die Marktmechanismen im Verlags- und Buchhandel nicht, bzw. nicht genug.
      Die von Ihnen genannten Händler handeln die Rabatte mit den Verlagen aus.
      Da sind 2% Peanuts.
      Der kleine und mittlere Buchhändler hat in den vergangenen Jahren Reduzierungen der Rabatte beim Einkauf bis zu 50% (!) hinnehmen müssen, offensichtlich weil sie sonst bei den “ausgehandelten” der großen Händler sonst gar nichts oder nicht mehr genug erwirtschaftet wird.
      Jedenfalls 1.000 Bücher am Tag…
      50.000€…
      Träumen Sie weiter.
      Jedenfalls die 2 % sind nicht das Problem

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      • Bernd
        Bernd sagte:

        Es ist doch nur merkwürdig, daß die jährliche ERHÖHUNG z.B. speziell bei den Schulbüchern (bei denen es sich auch nicht um eine Neuauflage sondern durchaus noch um die Version von 2015 handelt) keinerlei Probleme bereitet. Da sind sich dann auch alle einig.
        Bin schon gespannt, wieviele derjenigen, denen die Senkung jetzt zu aufwendig ist, im Januar dann trotzdem 2% wieder oben draufschlagen. Weil: es merkt ja sicher keiner.

        Antworten
        • Robert S. Plaul
          Robert S. Plaul sagte:

          In der Tat sind, wie oben skizziert, Preiserhöhungen nicht so sehr das Problem wie Preissenkungen, weil sie nicht zu einem Remissionsrecht beim Handel führen – schließlich wird sich kein Händler beschweren, wenn die Ware, die er am Lager hat, plötzlich mehr wert ist. Dass es am 1. Januar plötzlich zu Preiserhöhungen um die zwei Prozentpunkte der Mehrwertsteuer kommt, halte ich allerdings schon wegen der dadurch entstehenden krummen Preise für unwahrscheinlich. Und dass eine relevante Zahl von Verlagen gewissermaßen »die Gunst der Stunde« nutzt, um gleich mal um ein, zwei Euro zu erhöhen, glaube ich auch eher nicht.

          Nichtsdestotrotz gibt es selbstverständlich im Buchhandel Preiserhöhungen, genau wie in allen anderen Branchen auch. Ob das bei Schulbüchern, die noch nicht mal eine Neuauflage sind, fair oder angemessen ist, mag ich als Nicht-Schulbuch-Verleger nicht beurteilen. Sicher ist es aber bei saisonalen Titeln wie Schulbüchern einfacher, Preiserhöhungen zu realisieren. Auch dürfte es bei Schulbüchern normal sein, dass – trotz unverändertem Inhalt – eben doch eine weitere Auflage zum neuen Schuljahr gedruckt wird, die ggf. auch Preissteigerungen bei den Druckereien unterworfen ist.

          Ohne jemandem den schwarzen Peter zuschieben zu wollen, sind es aber auch und gerade Maßnahmen wie die eigentlich gut gemeinte temporäre Mehrwertsteuersenkung, die den Kostendruck in der Buchbranche erhöhen, weil sie Arbeit machen und damit Geld kosten. Insofern muss ich auch im Namen meiner Kolleg*innen um Verständnis dafür werben, dass gute Bücher oft auch gutes Geld kosten und der Preis dafür manchmal auch steigen muss. Bei uns sind die (Brutto-)Ladenpreise der Print-Bücher jedenfalls bislang konstant geblieben, und wir planen auch nicht, dass zum 1. Januar plötzlich zu ändern.

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  1. […] Wer sich noch näher mit diesem Thema beschäftigen möchte, den verweisen wir gerne auf die Seite des Carpathia-Verlags  https://www.carpathia-verlag.de/ (Danke, für die ausführliche Beschreibung unter: https://www.carpathia-verlag.de/blog/2020/06/09/mehrwertsteuersenkung-warum-unsere-buecher-trotzdem-&#8230😉 […]

  2. […] Wir bedanken uns herzlich bei unseren Verleger-Kollegen Robert S. Plaul (Carpathia-Verlag) für diese sehr treffenden Ausführungen zur kommenden vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung im Zusammenhang mit Buchpreisbindung und anderen Faktoren. Artikel lesen » […]

  3. […] gut und richtig ist, hat Kollege Robert S. Plaul vom Carpathia Verlag in einem sehr lesenswerten Blog-Artikel niedergelegt. Das muss also von uns nicht neu ‘erfunden’ werden und überdies leitet […]

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